Heilkraft des Ayurveda: Mehr als Placebo!

Alles nur eine Frage des Glaubens?

Böse Zungen sehen im Ayurveda kein wirksames Medizinsystem, genauso wenig wie sie potenzierten Homöopathika („da ist gar nichts drin“) oder dem Qi in Akupunkturpunkten („gibt es nicht“) Vertrauen schenken.

„Probieren Sie es aus, am Ende werden Sie doch zu meiner wissenschaftlich fundierten Therapie kommen und haben dann nur wertvolle Zeit und Geld verloren.“ Diese despektierliche Haltung vertreten viele „Schulmediziner“ immer noch und verunsichern damit ihre Patienten.

Für diese abwertende Haltung gegenüber der Wirksamkeit des Ayurveda sind aber beide Seiten verantwortlich: Ärzte, die keine anderen Denkrahmen zulassen, und Ayurveda Anbieter, die teils mit Halbwissen, esoterischen Angeboten und ohne medizinische Qualifikation kranke Menschen behandeln. Das verstärkt die Kluft zwischen westlich-moderner und östlich-traditioneller Medizin. Sehr schade, denn in ihrer Synergie liegt das größte Potenzial für Prävention und Therapie.

Welche sind die Grundlagen einer erfolgreichen Ayurveda-Therapie?

Ayurveda ist Teamwork! Bereits vor über 2.000 Jahren wurden vier Glieder einer erfolgreichen Behandlung beschrieben: Arzt, Pfleger, Medizin und Patient.

Jedem Glied werden erforderliche Qualitäten zugeordnet. So soll der Arzt nebst bester Ausbildung praktische Erfahrung und Reinheit in Körper, Rede und Geist aufweisen. Pfleger sollen treu, geschickt, achtsam und liebevoll mit Patienten umgehen. Die Medizin muss echt, fehlerlos, hochwertig in allen Wirkprinzipien (Geschmack, Eigenschaften, Potenz etc.) und für vielfältige Präparationen geeignet sein. Und der Patient braucht ein gutes Erinnerungsvermögen, soll ausdrucksfähig sein, muss eine Behandlung bezahlen können und benötigt starken Willen, um therapeutischen Belastungen Stand zu halten.

Schwächelt ein Glied, ist der Therapieerfolg in Gefahr. Bleiben erhoffte Ergebnisse aus, müssen alle Glieder auf den Prüfstand gestellt werden.

Therapeut, Pfleger und Patient gemeinsam ist das erforderliche Vertrauen zum jeweils Anderen, zum ayurvedischen System, zu den einzelnen Verfahren und zur grundsätzlichen Aussicht auf Heilung oder Linderung.

Welche Rolle spielt der Placebo-Effekt?

Das Thema Placebo wird leider immer noch häufig missverstanden. Viele denken dabei an Zufallswirkung ohne wissenschaftliche Grundlage. Falsch! Dieser Effekt wurde mittlerweile umfangreich erforscht und belegt.

Placebo-Medikamente basieren nicht auf Einbildung. Sie hemmen unsere Schmerzwahrnehmung durch messbare Endorphinausschüttung. Sie fördern die Dopaminfreisetzung und lindern damit Symptome bei Menschen, die an Morbus Parkinson erkrankt sind. Sie regulieren Schlafstörungen, verringern Angstsymptome und heben die Stimmung. Sie imitieren die Wirkung unterschiedlichster „realer“ Medikamente.

Placeboeffekte basieren auf Vertrauen, Beziehung, Hoffnung, Erwartung und bewusste Zuversicht. Eine wesentliche Rolle spielt auch die Erfahrung im Rahmen der klassischen Konditionierung, hierdurch sind körperliche Heilreaktionen erlernbar. Besonders spannend dabei: Placebos wirken aufgrund unbewusster Prozesse auch ohne Täuschung, wenn wir also wissen, dass in unserem „Medikament“ eigentlich gar kein Wirkstoff enthalten ist. Die bloße Einnahme bitterer Kräuter kann schon viel bewirken, da wir mit ihnen oft eine heilende Arznei verbinden.

Diesen Effekt, der auf die Kraft unseres Geistes zurückzuführen ist, können wir uns im Ayurveda zunutze machen. Es spielt eine große Rolle, wer wann welche Mittel und Therapien verordnet, wie dieser Rat übermittelt wird und welches Erscheinungsbild die Darreichung beinhaltet. So wirkt das gleiche Triphala bei scheinbar gleicher Indikation völlig unterschiedlich, abhängig vom Mindset der Klienten und der verordnenden Therapeuten.

Wann kann ich mit einer Wirkung meiner Ayurveda-Therapie rechnen?

Das ist natürlich individuell höchst verschieden und hängt nebst den oben genannten vier Gliedern von vielen weiteren Faktoren wie der Dauer und Schwere einer Erkrankung, dem Alter und der Regulationsfähigkeit des Patienten, der Grundkonstitution und gegenwärtigen Abweichung ab.

In meinen 25 Praxisjahren, davon 12 Jahre auch in stationären Kureinrichtungen, konnte ich aber gewisse Erfahrungswerte sammeln:

  • Die Wirkung einer ayurvedischen Ernährungsumstellung können wir spätestens nach einem Monat erkennen und analysieren. In den ersten beiden Wochen können Anpassungsreaktionen entstehen, die wir nicht überbewerten dürfen. Magen und Darm, Appetit und Durst, Blutzucker, Kreislauf, Körpertemperatur und Schlaf müssen sich erst einmal an die neuen Bedingungen gewöhnen. Wenn Sie also nach ein paar Tagen mehr Blähungen als zuvor haben, ist das nicht ungewöhnlich – und das nicht trotz, sondern wegen neuer Gewürze, die Ihre Schleimhäute noch nicht kennen.
  • Eine Lebensstiländerung kann sich kurz- und langfristig auswirken. Auch hier sind vorübergehende Anpassungsreaktionen möglich, zum Beispiel bei einer Änderung der Schlafzeiten. Rhythmusänderungen benötigen allgemein mehr Geduld als direkte wirksame Maßnahmen wie das heiße Wasser am Morgen oder das Zungenschaben. Bewegungsprogramme wirken nach wenigen Wochen, gezielte Atemtechniken hingegen sofort.
  • Ayurvedische Nahrungsergänzungsmittel wirken schnell und spürbar auf den Magen-Darm-Trakt, oft schon innerhalb von Stunden oder Tagen. Möchten wir hingegen innere Organe beeinflussen, chronische Gelenkentzündungen lindern, das Hormon- oder Immunsystem nachhaltig regulieren, benötigen wir Geduld. Hier gebe ich als zeitliche Orientierung 3 Monate an, nach denen spätestens Wirkungen subjektiv spür- und objektiv messbar sein sollten. Die Wahrnehmung einer kompletten Transformation zum Guten oder Schlechten innerhalb weniger Tage lässt sich selten objektivieren. Mein Tipp: beobachten Sie Veränderungen zunächst, ohne sie gleich zu beurteilen – und warten Sie auf den ersten Kontrolltermin bei Ihrem Therapeuten.
  • Die Panchakarma-Kur stellt eine zeitlich begrenzte Intensivbehandlung durch äußerliche Anwendungen und innerliche Ausleitungsverfahren dar. Hier lassen sich Wirkungen schneller erzielen als bei ambulanten Maßnahmen – meist schon während dem Kuraufenthalt und auch in den ersten Wochen danach. Dafür halten diese erfahrungsgemäß nicht an, wenn nach einer Kur die Ernährung, Lebensweise und der Mindset nicht nachhaltig verändert werden.
  • Psychologische Maßnahmen zur Steigerung von Sattva und Stärkung geistiger Fähigkeiten wirken von allen am stärksten kausal und nachhaltig, benötigen dafür aber Zeit – Wochen, Monate, Jahre. Unser Geist neigt zur Abwehr und Verhaltensvermeidung, wenn wir ihn mit belastenden Gedanken, Gefühlen und Erinnerungen konfrontieren.

Also, liebe „Schulmediziner“: Denkt ein wenig über Euren Tellerrand hinaus und öffnet Euch für eine andere Denkweise, die Jahrtausende Bestand hatte und sich in vielen Hochkulturen bewährt hat. Wenn andere Paradigmen Menschen helfen, solltet Ihr diese zumindest respektieren.

Und an die Ayurveda Community gewandt: Tiefes Vertrauen ist sehr wichtig, die Kontrolle und Überprüfung aber auch – ob es um ayurvedische Produkte, diagnostische oder therapeutische Verfahren geht. Glaubt nicht Alles, was Euch aus Indien oder von einem Guru erzählt wird. Sondern überprüft es mit Euren eigenen Sinnen und unterscheidungsfähigen Geist.

Ganz gleich, welche Meinung wir vertreten – am Ende zählt immer noch: Wer und was heilt, hat recht!

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